AUREOLE

Text von Paola Cane

Die Wohnung meiner Oma ist makellos.
Meine Mutter hat die Möbel ausräumen, die Teppiche aufrollen, Bilder und Vorhänge abnehmen lassen. Der Elektriker hat die Deckenlampen abmontiert und nur die Kabel hängen lassen. Das Meiste ist in Müllsäcken verschwunden: die runde Schachtel, in der sie die Bonbons aufbewahrte, eine halb verbrauchtes Stück Lavendelseife, alte Scheuerlappen, ihre fleischfarbene Unterwäsche, ein Bildkalender der Kreissparkasse, der in der Küche an einem Plastikhaken hing. Auch der Plastikhaken ist im Müll gelandet. Die Dame, die schon immer geholfen hat, die Wohnung in Ordnung zu halten, den Schimmel in den Kachelfugen in den Griff zu bekommen, hat ihn abgenommen und anschließend den gummiartigen Kleber von der Kachel gekratzt.

Meine Schwestern und ich haben nur einige wenige Dinge von geringem Wert behalten. Ein altes Barometer, welches schon seit Jahrzehnten die Veränderungen anzeigt, den Nähkasten; und da gab es auch ein Foto, auf dem sie als junges Mädchen zu sehen war, mit blondem, nach hinten gekämmtem Haar, das mich ehrlicherweise wenig interessierte. Das Mädchen auf dem Bild habe ich nie kennengelernt. Seit ich mich erinnern kann, ist meine Oma immer alt gewesen. Sie schien mir vor zwanzig Jahren sogar älter als kurz vor ihrem Tod, obwohl sie damals, als ich noch klein war, kaum älter war als ich es jetzt bin. Und während sie uns Enkelkindern gegenüber eine größere Nachgiebigkeit zeigte als unsere Eltern, ist mir nie in den Sinn gekommen, dass sie uns vielleicht so behandelte, weil sie sich daran erinnerte, auch einmal Kind gewesen zu sein.

Dann sind ein Anstreicher und der Kleintransporter einer Entrümpelungsfirma gekommen. Die Möbel, die wir nicht verkauft haben, wurden von der Caritas abgeholt. Nichts ist übrig geblieben. Der Anstreicher hat die Farbe zweimal auftragen müssen, um die Staubränder, die sich im Laufe der Zeit hinter Bildern und Möbeln gebildet hatten, verschwinden zu lassen. Alles, was geblieben ist, ist eine leere, makellose Wohnung.

Heute Morgen bin ich hinauf gegangen, um die Fenster zu öffnen, ein wenig frische Luft herein zu lassen, damit der Geruch der frischen Farbe nicht zu aufdringlich ist. Meine Mutter möchte, dass alles in Ordnung ist, wenn jemand kommt, um sich die Wohnung anzuschauen.

Ich habe keine Spur von ihr gefunden, sie ist spurlos verschwunden. Die Ecke mit dem Fernsehsessel war leer. Wo das Sofa stand, wo sie ganze Tage mit Stricken und Kreuzworträtseln verbrachte, war Leere. Die Küche, in der sie die Plätzchen zubereitete und Kaffee kochte, wenn wir sie besuchen kamen, war leer. Aber vielleicht sehe nur ich die Leere, die Abwesenheit; die neuen Bewohner werden nur viel Platz sehen und darüber nachdenken, wie sie ihn nutzen können.

Eine einzige Sache ist geblieben, im Badezimmer. Ein kleiner roter Keramik-fisch auf den Kacheln. Er wird immer dort bleiben, denn erlässt sich nicht ablösen. Eines der Dinge, die sie über die Jahre immer wieder vor Augen hatte und vielleicht gar nicht mehr wahrnahm.

Die Leute, die hier einziehen werden, sehen nur den Platz.

Ich sehe nur, dass etwas fehlt, was immer dagewesen ist.

Bis ich es irgendwann fast nicht mehr bemerkte.